Harmonie aus Lochristi zu Gast in Mimbach

Grenzenlos war die Wiedersehensfreude, als am Freitag, 23.09.16 kurz vor Mitternacht endlich der Reisebus mit den Freunden aus Lochristi in Mimbach eintraf. Glücklicherweise bedurfte es keiner zeitaufwändigen Quartierzuweisung – man kennt sich ja nach 32 Jahren! Stattdessen wurden die ersten Neuigkeiten rund um die beiden Vereine und ihre Musiker bis in die späte Nacht ausgetauscht. Kühlen Gefühlen entgegneten die ganz hartgesottenen Terassenfeierfreunde mit wohligen Gedanken an eine „Poepverwarming“, um am frühen Morgen beinahe ruhelos am Ausflug in die Saarländische Bergbaugeschichte teilzunehmen. Wobei die Musiker hier einen kleinen Schwenk nach Petit Roselle ins Museum „Les Mineurs“ machten – grenzenlos und ganz europäisch eben. Außerdem sind unter Tage alle gleich! Und so lernten die Deutsch-Flämischen Kumpel, wie der Kohleabbau horizontal, in der Schräge oder noch schwieriger im senkrechten Flöz funktioniert. Nachdem der Wissensdurst gestillt war, luden die Mimbacher ihre Gäste vor Ort zum traditionellen Bergmannsfrühstück mit Lyoner, Weck und Senf ein. Damit die leichte Kost besser rutschte, gab es auch ein kleines, hopfiges Etwas zur Erfrischung, denn Petrus hat an den Musikern seine Freude: Wie bereits vor 5 Jahren lachte das ganze Herbst-Wochenende die Sonne bei sommerlichen Temperaturen von über 25°C – so soll es sein, so soll es bleiben.

Grenzenlos war auch das Motto des abendlichen Gemeinschaftskonzertes in der Blieskasteler Schlosskirche. Auch der Untertitel „Musik zwischen Himmel und Erde, Flandern und dem Saarland“ konnte für den dargebotenen Hörgenuss wohl treffender nicht gewählt werden.
Mit „La Basilica di San Marco“ den Blickwinkel weit nach oben gerichtet, eröffnete das Große Blasorchester aus Mimbach unter Leitung von Daniel Peters sehr berührend den Konzertabend. Kristina und Maren Tholl – als Musikerinnen dieses Mal leider verhindert – führten  stattdessen pointiert durchs Programm und erläuterten, wie Giovanni Gabrieli mit der Sonata Pian‘ e forte im Markusdom den Stereoeffekt erfand. Nun, vier Jahrhunderte später, konnte das Publikum die Interpretation des Mimbacher Blechbläser-Oktetts zwischen Altar und Empore sogar in HD und Dolby Surround genießen.

Passender als in einem Gotteshaus hätte auch die musikalischen Wallfahrt „Three Famous Cathedrals“, die von Albi über Chartres nach Amiens führte, nicht stattfinden können. Die Akustik der Barockkirche, vereint mit der feinst ausjustierten Klangbalance des Orchesters, ließen die Zuhörer in eine spirituelle Meditation der französischen Frühgotik versinken. Kein Wunder also, dass so Manche/r sich „Wie im Himmel“ wähnte, als „Gabriellas Song“ aus dem schwedisch-dänischen Musikfilm von 2004 erklang.
Wie eng oft Himmel und Hölle beieinander liegen, führte Dirigent Tony Van de Voorde mit der Königlichen Harmonie „Willen is Kunnen“ vor Augen: In seinem ersten Freiluftmusical „Die Saat des Satans“, das im August 2002 in Kruibeke (Belgien) Premiere hatte, setzt sich Komponist Bert Appermont bei „The Awakening“ mit dem Hexenwahn des 16. Jahrhunderts klanggewaltig auseinander. Von Feuer handelte auch „Inferno“, eine vertonte Schilderung des Großbrandes im Naturschutzgebiet Kalmthouter Heide, der 2011 nördlich von Antwerpen wütete und welcher von Vize-Dirigent Aaron Van de Winckel schließlich mit seinen fast 40 Musikerinnen und Musiker unter Kontrolle gebracht wurde. Aus dem noch warmen Löschwasser hüpfte ein kleiner Wasserfloh und „La Pulce d’Aqua“ fühlte sich bei Nele Goosens an der Soloflöte total wohl. „Total Toto“ im Arrangement von Klaas Van der Woude zeigte, dass auch Rock-Pop in einer Kirche möglich ist und crossover in einem Konzert wohl nie spannender war.
Schlussendlich kann ein Bericht nie das Konzerterlebnis wiederspiegeln. Wer nicht dabei war, hat einen grenzenlosen Moment für immer verpasst. Ebenso den emotionalen Höhepunkt, als bei der gemeinsamen Zugabe beider Orchester die Besucher den Choral „Lobet den Herren“ auf Deutsch und Flämisch mitsangen.

Grenzenloser Beifall für alle Musiker war Lohn für dieses tolle Konzert und obwohl Applaus bekanntlich das Brot des Künstlers ist, sättigte doch eher das warme Buffet, welches die hungrigen Musikanten im Mimbacher Matthias-Claudius-Heim erwartete. Auf dieser Grundlage konnte danach die After-Show-Party starten.
 
Am frühen Morgen – man spricht von 11 Uhr – fand im Rahmen eines tollen Aperitifkonzerts auf dem Vorplatz des Matthias-Claudius-Heims der „politische Empfang“ der Gäste aus Belgien statt. Stadtoberhaupt Annelie Faber-Wegener lobte in ihrer Ansprache insbesondere die über 3 Jahrzehnte funktionierende Vereinspartnerschaft und überreichte Etienne Vermeulen einen Bürgermeisterwein, wohl als Elixier für zauberhafte Konzerte und Begegnungen in weiterer Zukunft gedacht. Der Mimbacher Ortsvorsteher Gerd Weinland – selbst bereits mit dem Musikverein zu Gast in Lochristi – wandte sich insbesondere an die Jugendlichen der Vereine, weiterhin für ein geeintes und grenzenloses Europa einzutreten.
Mit Musik im Gepäck ist man stets und überall willkommen – eine Erfahrung, die man in Lochristi und Mimbach erlebt hat und weiterhin leben möchte. Das nächste Treffen soll 2019 im 35. Jahr der Freundschaft in Flandern anlässlich des 200. Jubiläums der Harmonie „Willen is Kunnen“ stattfinden.

Nach einem leckeren Mittagessen mit Saarländischen Schwenkspezialitäten, Salat- und Kuchenbuffet versuchte eine spontan gegründete Jugendformation beider Vereine den drohenden Abschiedsschmerz mit einer improvisierten Jamsession möglichst lange herauszuzögern. Aber die weite Rückreise ließ einen größeren Aufschub zum Leidwesen aller Gäste und Gastgeber nicht zu. Und so setzte sich der Begonia-Express um 16:15h wieder mit Ziel Lochristi in Bewegung.
Viel zu schnell verflog wieder einmal die Zeit und der Abschied fällt mit jedem weiteren Jahr der Freundschaft immer schwerer.
Tot ziens, beste vrienden van Lochristi! We missen u!

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