Es war einmal… Damit beginnen viele Märchen, aber auch so manche Erfolgsstory.
Es waren also einmal zwei Orchester, welche, ohne voneinander zu wissen und getrennt durch hohe Berge, tiefe Täler und dunkle Wälder, jeden Freitagabend fleißig ihre Musikstücke probten – das eine sehr harmonisch, das andere mit viel Frohsinn. Bis zu dem Tag, als sich ein vollbesetzter Reisebus auf den langen Weg nach Lochristi/Belgien aufmachte, um bis dahin fremde (Musik-) Kulturen einander näher zu bringen.
Was an Pfingsten 1984 offiziell mit einem ersten Besuch in Flandern zur Gründung einer Vereinspartnerschaft auf internationaler Ebene begann, entwickelte sich im Laufe von 12 gegenseitigen Besuchen zu einer wohl nicht alltäglichen, herzlichen Beziehung zwischen Menschen über einst existierenden Grenzen und vielen anderen Barrieren hinweg.
Am 3. Oktober 2014 machten sich über 50 junge und junggebliebene Musikanten und Sympathisanten des Musikvereins „Frohsinn“ Mimbach wieder freudig auf den Weg, um das 30-jährige Jubiläum ihrer Freundschaft mit den Musikern der Königlichen Harmonie „Willen is kunnen“ in Lochristi gebührend zu feiern.
Bereits kurz hinter der belgischen Staatsgrenze bei Arlon stärkte ein reichhaltiges Lyoner-Frühstück die Reisegruppe für den anstehenden, ausgiebigen Altstadtbummel in Brüssel, in dessen Straßen und Gassen pittoreske Lädchen mit geklöppelten Spitzen, feinsten Lederwaren, aber auch süßen Waffeln und erlesenen Pralinés um die Gunst der Käufer warben. Stets Müssen müssen ist das Schicksal des kleinen Manneken Pis und ein Besuch ebenso ein Muss, wie auch die Stippvisite am frisch renovierten Atomium, in dessen Kugeln man auf Mietbasis Feierlichkeiten ausrichten kann, die Reisegruppe aber zum Leidwesen der jüngsten Teilnehmerin dort jedoch kein Quartier bezog. Denn selbiges war ja in Lochristi gebucht, wo Vereinsvorstand Michel de Trogh beim herzlichen Empfang, erstaunt über die Vielzahl junger Musikanten, den Gästen ihre „neue Mama und neuen Papa“ fürs Wochenende zuwies.
Am Abend trafen sich alle im Saal „De Kring“ zur gewohnten, all freitäglichen Probe – dieses Mal aber gemeinsam und grenzenlos. Nach dem letzten Schlussakkord wurden flugs die Instrumente eingepackt, Stühle und Tische aufgestellt, denn man hatte ja viel zu erzählen – und zu feiern!
Dass belgische Nächte in der Regel kurz, ja sehr kurz sind, ist seit 30 Jahren bekannt und so brauchte es, auch wegen des herrlichen Sonnenscheins am Samstagmorgen vereinzelt Sonnenbrillen mit höchstem Lichtschutzfaktor. Zur Überraschung ging es zusammen mit den Gastgebern nach Gavere zur Besichtigung der kleinen Brauerei Contreras (www.contreras.be), wo Bier noch jeden Donnerstag quasi von Hand gebraut wird. Eine Verkostung war natürlich Pflicht im Land der Biere. Und wer zuvor Trouble mit Tripel Trappist hatte, konnte auf ein leichtes Contrapils ausweichen.
Für den Nachmittag hatte das Organisationsteam um Josefien und Kris eine Schnitzeljagd quer durch die Altstadt von Gent vorbereitet. In 6 gemischten Gruppen galt es einige Sehenswürdigkeiten und Rätsel der altehrwürdigen Handelsstadt am Zusammenfluss von Schelde und Leie zu erkunden. Die moderne Lehre des Tages allerdings bestand darin, dass bei klarer Aussprache von „Chappy Bunny“ 12 bzw. 13 Marshmallows in den Backen von Ramona und Michael Platz fanden – Respekt!
Nach so viel Spiel und Spaß stand wieder die Musik im Mittelpunkt des Abends. Das am Vorabend gegründete, 75 Bläser starke Orchester „Willen creëren Frohsinn“ spielte zusammen Pflichtstücke bevorstehender Wettbewerbe der einzelnen Vereine. Ronny van de Winckel dirigierte die „Free World Fantasy“ von Jacob de Haan und Daniel Peters übernahm den Taktstock für die „American Riversongs“ des Komponisten Pierre La Plante. Musiker und Dirigenten harmonierten bestens und alle hatten das Gefühl, schon Jahre lang in dieser Formation zu spielen.
Einmal mehr zeigt sich, dass Musik in Dur und Moll mit Notenschlüsseln in G oder F die Herzen so vieler Menschen auch über Kultur- und Sprachgrenzen hinaus aufzuschließen vermag – anno 1984 , heute, aber sicherlich auch noch in Zukunft.
Und um die Zukunft dieser Partnerschaft sollte einem nicht bange sein, wenn man sieht, mit welcher Freude Flamen und Saarländer, junge wie junggebliebene zusammen musizieren, singen und feiern!
Auch Lochristis Bürgermeister Yves Deswaene sprach hier von einem Stück gelebten Europas, als er die deutschen Gäste am Sonntag bei einem Sektempfang im Rathaus zusammen mit der Kulturbeauftragen Marie-Claire Van Nieuwenhuyse begrüßte. Mimbachs mitgereister Ortsvorsteher Gerd Weinland überraschte die Gastgeber mit seinen auf flämisch vorgetragenen Grußworten . Die Herzlichkeit der Menschen begründet sich in ihrer Großherzigkeit: Denkt man an die dunkelsten Kapitel der gemeinsamen Geschichte, so war es das Königreich Belgien, welches die neu gegründete Bundesrepublik mit als erstes anerkannte und so den Weg für ein friedliches Miteinander ebnete.
Mit Musik bedankten sich die Orchester bei der Politik für die gesellschaftliche Anerkennung ihrer Freundschaft. Nach dem letzten Santé ging es getreu des von Michel de Trogh ausgerufenen Mottos „Ohne Drank kein klank“ mit dem traditionellen „Muzikale Wandeling“ über die Hauptstraße zum gemeinsamen Mittagessen im Festsaal De Kring. Bei lecker „Stoverij met frieten“ ließen sich Gäste und Gastgeber noch einmal die drei herrlichen Tage auf der Zunge zergehen und um 16h hieß es dann leider schon wieder Abschied nehmen, der nach jedem Treffen immer schwerer fällt.
Bezeichnend der Refrain des Liedes der „Mimbacher Next Generation“, auf der Hinfahrt spontan komponiert, und mit Okulele vorm Einsteigen vorgetragen: „Da geht das Herz auf, Belgien ist nur alle paar Jahr. Olé, oléeee, und schallallaaaah!“
Und wie endet nun dieses musikalische „Herbstmärchen 2014“?
Gar nicht, denn spätestens 2016 soll es mit dem Kapitel „Te gast bij vrienden“ in Mimbach fortgesetzt werden! (vk)